CANNSTATTER VOLKSFESTZEITUNG 2023

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nennt. Sie begrüßt Stammgäste, packt selbst mit an, zapft Bier, räumt leere Gläser auf. 23 Tage geht das so, von 11 Uhr bis nach Mitternacht. „Ich wünschte, ich könnte sie klonen. Es ist, als würde sie seit Jahren zur Familie gehören“, sagt Göckelesmaier-Festwirtin Daniela Maier über ihre Barchefin. Seit 2014 ist Gordana Teil der Göckelesmaier-Familie: Ganz klassisch begann sie als Kellnerin. Ein Knochenjob. Sie lernte, sich mit bis zu zehn Maßkrügen unfallfrei zwischen den schunkelnden Massen zu bewegen. Ein Leistungssport, der ohne Krafttraining kaum zu stemmen ist – und der ein stabiles Nervenkostüm verlangt. „Ich liebe das Festzelt – und habe immer gesagt, dass ich einmal dort arbeiten möchte“, sagt Gordana. Aus einmal wurde fast ein Jahrzehnt. Nach drei Jahren Maßkrüge-Schleppen übernahm sie die Leitung der Pilsbar. Hier geht es zwar etwas gesitteter zu, die Gäste sitzen auf Barhockern an kleinen Tischen oder lehnen am Tresen. Im Zelt geht es derweil hoch her. Jungs in Lederhosen und Mädchen in Dirndln haben längst die Bierbänken erklommen – nur die Tische sind tabu. Die Band auf der Bühne, die man auch von der Bar aus gut hören und sehen kann, singt „Marmor, Stein und Eisen bricht“ – die Menge ist textsicher. Auch Gordana und einer ihrer Mitarbeiter lassen sich von der Stimmung anstecken, wippen lachend mit. Der Gastronomie ist die 48-Jährige bereits seit dem Teenageralter verbunden. Nach ersten Jobs arbeitete sie „in gehobenen Restaurants“, wie sie sagt. Seit dem Winter leitet sie das Tapas-&-Sushi-Restaurant Mamasaki in Ludwigsburg. Doch wer ihr zuhört und ihr an der Bierbar zuschaut, merkt: Die Arbeit hier will sie nicht missen. „Wir sind hier Glücklichmacher“, sagt sie. „Wir arbeiten mit Menschen, die bei uns eine schöne Zeit verbringen wollen.“ Die Gäste scheinen das zu spüren – und zu honorieren. Etliche Stammgäste belagern Gordanas Pilsbar. „Von der Friseurin bis zum Big Boss einer großen Firma – bei mir werden alle gleich bewirtet“, sagt sie. Immer wieder erscheinen neue alte Bekannte am Tresen. Umarmung, Küsschen rechts, Küsschen links. Gordana hat zwar alle Hände voll zu tun, aber dennoch nimmt sie sich Zeit für die Leute. „Hallo Hübsche, herzlich willkommen in der neuen Saison“, sagt sie zu einer Frau im Dirndl, zündet ihr mit einem Feuerzeug die Zigarette an und ruft ihren Mitarbeitern zu: „Einen Aperol Spritz, bitte!“ Jennifer Hartmann besucht das Göckelesmaier-Festzelt mit ihrer Familie schon seit ihrer Kindheit. „Man wird hier gut bedient, es ist fair, und man findet selten jemand, der so authentisch und freundlich ist wie Gordana. Das gefällt mir“, sagt sie. Fair und freundlich zu bleiben fällt nur dann nicht leicht, wenn man auch mal als „blöde Kuh“ beschimpft wird. „Hast du ein dickes Fell?“, lautet eine Frage, die Gordana in Bewerbungsgesprächen immer wieder stellt. „Das hier ist etwas ganz anderes als in einem Restaurant mit Stern“, sagt sie. „Das ist Vollstress.“ Damit Neulingen der Sprung ins kalte Wasser leichter fällt, bekommen sie zum Start ein zwölfseitiges Büchlein in die Hand gedrückt. Beim Unterpunkt „Ärger und Beleidigungen“ steht: „Egal, was ist, was euch beim Verkauf aufhält, holt mich.“ Und fett hervorgehoben: „Das Unangenehme erledige ich.“ Einige Tausend Menschen strömen in einer Abendschicht ins Göckelesmaier-Zelt, „und die wollen alle maximal zehn Minuten auf ihre Maß warten“, sagt Gordana. Dementsprechend resistent müsse man sein, nicht zu empfindlich und – das gelte auch im Festzelt – stets höflich, betont sie. Man dürfe nicht überrascht oder beleidigt sein, wenn jemand mit steigendem Promillewert Schwierigkeiten bekommt, einen kompletten Satz zu formulieren, sagt sie. „Wir verkaufen schließlich keine Crêpes, sondern Alkohol.“ Kann sich jemand überhaupt nicht mehr ausdrücken, zieht auch sie die Bremse: „Der kriegt dann nichts mehr, da bin ich Mama“, sagt Gordana, die das auf ihre liebevolle Art löst, die Hand des Volltrunkenen nimmt und sagt: „Du Süßer, du hast genug.“ Im Zweifel greift die Barfrau hart durch Und wenn die Hände der Gäste mal dort landen, wo sie nichts zu suchen haben? Wie geht die Barfrau damit um? „Die Gäste sind glücklich, betrunken und umarmen uns dann auch“, erzählt Gordana. „Aber mich hat nie jemand sexuell belästigt.“ Und sollte es doch mal zu weit gehen, weiß die Barchefin, was zu tun ist: „Wer handgreiflich oder vulgär wird, der fliegt raus.“ Zu den schönen Seiten des Arbeitens im Festzelt, das ist kein Geheimnis, gehört das Trinkgeld. Gordana sagt: „Wer hier alle 17 Tage fleißig mitmacht, kann sich seinen Urlaub verdienen.“ Florian Dürr

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