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Interviewpartner Thomas Seemann, Zollamtmann von der

Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit des Hauptzollamts Stuttgart.

>>

H

aben Sie Waren anzu-

melden“ hört man auf

dem Cannstatter Wa-

sen eher nicht. Der Fokus der

Zollbeamten und Zollbeam-

tinnen zwischen Bierzelten,

Imbissbuden, Zuckerwatte

und Karussells liegt auf der

sogenannten Schwarzarbeit,

der illegalen Beschäftigung,

die letztendlich auch der All-

gemeinheit schadet.

Schwarze Schafe ertappen die

Zöllnerinnen und Zöllner bei

ihren überraschenden Besu-

chen auf dem Wasen zum

Glück selten. Warum sie den-

noch stichprobenartig und

unangemeldet kontrollieren

und dabei manchen verdutz-

ten Blick ernten, erklärt Zoll-

amtmann Thomas Seemann

vom Hauptzollamt Stuttgart

im Interview:

Was hat der Zoll mit dem

Cannstatter Wasen zu

tun?

Der Cannstatter Wasen ist für

den Zoll – wie alle anderen

Orte auch, an denen gearbeitet

wird – ein Ort, an dem Prüfun-

gen nach dem Schwarzarbeits-

bekämpfungsgesetz durch-

geführt werden. Das betrifft

einerseits natürlich die Ar-

beiten beim Auf- und Abbau,

andererseits auch den Festbe-

trieb inklusive Bedienungen,

Ausschank, Toilettenservice,

Losverkäufer und so weiter.

So haben wir beispielsweise

auf einem Volksfest (nicht auf

dem Wasen) einen selbststän-

digen Losverkäufer entdeckt,

der uns erklärte, er kaufe die

Lose von dem Losstand auf ei-

genes Risiko an und verkaufe

sie dann an die Besucher wei-

ter. Tatsächlich handelt es sich

dabei natürlich nicht um eine

selbstständige Tätigkeit, son-

dern vielmehr um ein Ange-

stelltenverhältnis, das sozial-

versicherungspflichtig ist.

Was sind die Arbeits-

schwerpunkte der Zollbe­

amten/Zollbeamtinnen?

Wir führen unsere Prüfungen

sowohl stichprobenweise als

auch aufgrund von Hinweisen

durch. Der Prüfungsansatz ist

immer ganzheitlich, das heißt

wir prüfen immer ab, ob die

Beschäftigten mit dem ent-

sprechenden Umfang bei der

Sozialversicherung gemeldet

sind, ob gegebenenfalls ille-

gale Arbeitnehmerüberlas-

sung oder illegale Ausländer-

beschäftigung vorliegt, ob die

branchenspezifischen Min-

destlöhne (MiLö) beziehungs-

weise der flächendeckende

MiLo gezahlt wird und ob die

Formvorschriften hierzu ein-

gehalten werden. Dazu gehö-

ren zum Beispiel die Stunden-

aufzeichnungen. Weiterhin

schauen wir, ob Fälle von So-

zialleistungsbetrug vorliegen,

wenn der Leistungsbezieher

arbeitet, ohne dies dem Amt

anzuzeigen.

Kommen die Beamten

unangemeldet zu den

Kontrollen?

Prüfungen führen wir selbst-

verständlich unangemeldet

durch, da wir sonst die schwar-

zen Schafe mit Sicherheit

nicht antreffen würden. Um

nachzuweisen, dass Arbeiter

„schwarz“ beschäftigt werden,

müssen wir diese bei der Ar-

beit antreffen. Unterlagenprü-

fungen in den Unternehmen

führen wir im Anschluss dann

mit Terminabsprache durch.

Sind die Beamten er-

kennbar durch Dienst-

kleidung? Oder kommen

sie in Zivil? Tragen sie

Waffen bei sich?

Bei der Kleidung richten wir

uns nach den anstehenden

Kontrollobjekten. Auf dem

Bau beispielsweise sind viele

Ausländer beschäftigt, die oft-

mals kaum deutsch sprechen.

Da ist es sinnvoll, wenn man

gleich als Beamter erkannt

wird und die Arbeiter wissen,

da ist jemand, der eine Kon-

trolle durchführt und etwas

von mir möchte.

In der Gastronomie versu-

chen wir immer in Zivil zu

prüfen, schließlich wollen wir

Schwarzarbeit aufklären und

nicht die Gäste verschrecken.

Hier weisen sich die Beamten

dann mit Dienstausweis aus,

und natürlich versuchen wir

hier auch entsprechend dis-

kret vorzugehen. Mit einer

Razzia haben unsere Prüfun-

gen nichts zu tun.

Eine Dienstwaffe haben die

Kollegen immer dabei. In den

Prüfungen geht es nicht im-

mer nur um die 8,50 Euro

Mindestlohn für einen Arbei-

ter, der sich illegal in der Bun-

desrepublik aufhält und der

bei einer Kontrolle durch den

Zoll erwischt wird. Im Grunde

genommen steht die ganze

Existenz auf dem Spiel. Diese

Personen sind dann gegebe-

nenfalls bereit, sich entspre-

chend zur Wehr zu setzen.

Schwarz

Arbeit

Was der Zoll mit dem Gockel, der Maß und dem Rummel zu tun hat

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Cannstatter Volksfestzeitung 2016